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Medien in der Friedensbildung und Konfliktvermeidung Bericht über Global Media Forum by Leila Dregger 2008-06-12 08:20:59 |
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Was können Medien und Journalisten tun, um Friedensbildung weltweit zu unterstützen? Die Deutsche Welle lud zu dieser Frage zu einem weiteren „Global Media Forum“ ein, und fast 900 internationale Medienschaffende, aber auch Menschenrechtsaktivisten, Wirtschaftskräfte, politische Entscheidungsträger, Hochschullehrer und Studenten kamen vom 2.-4. Juni nach Bonn in den ehemaligen Bundestag.
Es waren zwei Tage, in denen zu sehen war, wie sehr Friedensjournalismus oder – etwas weniger provokativ: „konfliktsensitiver Journalismus“ – sich inzwischen weltweit etabliert hat. Den Begriff Friedensjournalismus schuf Johan Galtung bereits in den Siebziger Jahren, aber in den letzten zehn Jahren wurde er weiterentwickelt und unter Praxisbedingungen weiter entwickelt. Der Begriff meint eine Art der Berichterstattung, die nicht nur über einen Ausbruch von Gewalt informiert, sondern über Ursachen, über die Situation aller Konfliktparteien und vor allem über mögliche Lösungen. In Ländern wie Nepal, Sierra Leone, Makedonien, Ruanda, Palästina-Israel – also in Regionen, in denen Konflikte schwelen oder drohen – konnten Radio- und Fernsehbeiräge, Zeitschriften und Online-Medien mit den Mitteln des Friedensjournalismus Fronten aufweichen, Brücken bilden und die Positionen der jeweils anderen Seite verständlich machen.
Dafür ist ein Weiterbildungsangebot für Berufsanfänger sowie erfahrene Journalisten speziell im Bereich Konfliktanalyse entstanden – zum Beispiel durch die Deutschen Welle Akademie, aber auch viele andere Ausbildungsprogramme.
Oft arbeiten die Journalisten und Ausbildungsinstitute anfänglich mit UN-Medien zusammen wie die UN-Radiosender in Sierra Leone oder Costa Rica, oder mit als NGO betriebenen Produktionsfirmen wie „Search for Common Ground“, mit global arbeitenden Medien wie eben die Deutsche Welle und BBC world. Es entstanden aber auch viele lokal arbeitende Agenturen wie das Palestinian News Network oder Sender wie das Young Asia TV in Sri Lanka, die nach dem Vorbild des Friedensjournalismus arbeiten. Mehr und mehr findet diese journalistische Praxis Eingang auch in größere und kommerziellere Medien.
Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle, sagte: „Im Globalen Dorf dürfen wir weniger übereinander reden, wir müssen mehr miteinander reden.“ Eine Praxis, die bereits viele Erfolge zeichnet, wie viele Berichte zusammenfassten.
Aber auch die Grenzen und Gefahren wurden deutlich, unter denen Journalisten diese Arbeit oft tun müssen. Zwei Drittel aller Erdbewohner leben in Ländern, in denen es keine Pressefreiheit gibt. Haarsträubende Berichte über die Verfolgung von Journalisten, die unliebsame Wahrheit schreiben, kamen aus vielen Ländern. Itai Mushegwe, ehemaliger politischer Reporter der Zimbabwe Independent Newspaper sagte: „Journalisten leben bei uns ständig unter Angst. Es kann alles passieren, Folter, Mord, verprügelt werden, Gefängnis. Handy, Computer, Post, alles wird überwacht. Wir sind darauf angewiesen, dass auch internationale Kollegen über die Situation in Zimbabwe berichten, damit wir Rückendeckung haben.“ Mushegwe selbst verließ sein Land vor neun Monaten, als er herausfand, dass sein Name auf einer Schwarzen Liste von unliebsamen Berichterstattern stand.
Shirin Ebadi, iranische Anwältin und Nobelpreisträgerin von 2003, brachte die doppelte Rolle von Journalisten am treffendsten auf den Punkt: „Journalisten sind die Freunde der Menschenrechtsaktivisten, ohne Sie könnte ich dieses Thema nicht ins Gespräch bringen. Deshalb werden Sie auch verfolgt. Freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit gehört zu den wichtigsten Menschenrechten. Wir müssen eine internationale Familie bilden, um uns gegenseitig zu schützen und unterstützen.“
Neben einem Bericht über die Zensurmethoden im Iran legte Ebadi aber auch ihren Finger in die Wunden der westlichen Medienlandschaft. „Es gibt auch verdeckte Zensur, und dazu gehört die Konzentration des Informationsmarktes. Allein in den USA sind alle Massenmedien in den Händen von fünf Eigentümern. Diese haben zusammen ein Kapital von 5.000 Milliarden Dollar zur Verfügung. Damit leben sie außerhalb jeder staatlichen und demokratischen Kontrolle, und die journalistische Freiheit und Kreativität ist stark eingeschränkt.“
Friedensschaffender Journalismus braucht die gesetzlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, die eine wirkliche Pressefreiheit ermöglichen.
Vladimir Bratic, Assistenz-Professor für Medienwissenschaft der Hollins Universität, Ohio, erarbeitete eine vorbeugende Strategie für konfliktrelevante Regionen. „Lange bevor Gewalt entsteht, müssen Medien und Politik zusammen arbeiten. Ihre gemeinsame Strategie besteht in Medienbeiträgen, die über den Konflikt, seine Ursachen und mögliche Lösungen informieren, in Unterhaltungsbeiträgen wie Musikvideos oder Unterhaltungsseiren, die auf spielerische Weise lösungs- und versöhnungsorientiert sind, und in politischer Regulation von sogenannten Hassmedien.“
Ganz wichtig für Bratic und seine Kollegen: „Journalisten müssen sich bewusst werden, welche Faktoren zu Hass und Gewalt führen – und diese vermeiden.“
Der Grund für einseitige, zynische oder unbewusst kriegstreibende Berichterstattung hat nicht nur wirtschaftliche Gründe, sondern liegt zum Teil auch im psychologischen Bereich, wie Petra Tabeling vom Dart Centre for Journalism & Trauma verdeutlichte. Journalisten sind im Beruf oft Situationen ausgesetzt, die sie als Menschen lieber nicht sehen würden. Im Krieg, an Unfallstellen oder bei Interviews mit Tätern, Zeugen oder Opfern von Gewalttaten. Da es oft keine Möglichkeiten gibt, das Erlebte zu verarbeiten, werden die Emotionen verdrängt.
„Viele Journalisten sind traumatisiert und wissen es gar nicht. Über Gefühle oder Ängste zu sprechen, gilt als unprofessionell in einem eng umkämpften Medienmartk. Die Folge ist, dass sie ihre Gefühle von Angst, Wut oder Hilflosigkeit unbewusst an die Leser weitergeben.“
Das Dart Centre bietet in vielen Ländern Seminare und Aufklärungsarbeit für Journalisten an.
Ein wichtiger Faktor kam etwas zu kurz auf dem Kongress: Das Konsumentenverhalten. Stimmt das Vorurteil noch, dass sich Gewalt besser verkauft? Einige Medienvertreter konnten anderes berichten. Immer öfter werden Redaktionen aufgefordert, auch positive Nachrichten zu bringen, Perspektiven und Alternativen. Anteil nehmender, verantwortlicher Journalismus ist nicht langweilig, wie Präsentationen auf der Leinwand zeigten: Die journalistische Kunst ist herausgefordert, auch für die langsamer ablaufenden Friedens- und Gemeinschaftsbildungsprozesse Faszination, Spannung und Nachrichtenwert zu erzeugen. Vielleicht heißt es dann in Zukunft: Peace sells.
Die Autorin: Leila Dregger hat als Journalistin zahlreiche Friedensaktionen begleitet und darüber berichtet, und andererseits als Mitorganisatorin von Friedensaktionen begleitende Journalisten betreut. Embedded Journalism im Krieg hat zu Recht den schlechten Ruf, die journalistische Perspektive extrem zu beengen. Aber in eine Friedensaktion eingebettet zu sein wie zum Beispiel in den Grace-Pilgerschaften durch Israel und Palästina sowie in diesem Jahr in Kolumbien ist im Gegenteil jedes Mal eine Gelegenheit, den Konflikt sowie mögliche Lösungen von vielen verschiedenen Seiten kennenzulernen.
leila.dregger@snafu.de
© Leila Dregger Postbank Berlin, Konto 598 380-108, BLZ 100 100 10 St.-Nr. 048/214/03702, Finanzamt Brandenburg
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