
"Gestärkt aus der Krise" heißt das Motto, mit dem Italiens Mitte-Links-Regierung seine Neuauflage angehen will. Grund für den Optimismus ist das Abstimmungsergebnis, mit dem Italiens zweite Parlamentskammer, der Senat, am späten Mittwochabend Prodi im Amt bestätigt hat. Mit der zwar nicht komfortablen aber eindeutigen Mehrheit von 162 zu 157 Stimmen gewann Italiens Regierung die Vertrauensabstimmung.
In der anderen Parlamentskammer, dem Abgeordnetenhaus, in dem Prodis Regierungsbündnis "l'Unione" über eine breite Mehrheit verfügt, gilt die Vertrauensfrage als Formsache. Die Abstimmung findet am Freitag statt.
Machtwort in zwölf Punkten
Was also noch vor einer Woche, als zwei kommunistische Senatoren der Regierungsmehrheit ihre Zustimmung zur Verlängerung von Italiens Afghanistan-Einsatz verweigerten und damit Prodis Rücktritt provozierten, wie das politische Ende des 68jährigen ehemaligen EU-Kommissionschef aussah, entpuppt sich nun als Neuanfang unter besseren Voraussetzungen. Denn immerhin ist es Prodi durch die "Krise" gelungen, innerhalb der eigenen Reihen, im ewigen Konflikt zwischen dem radikalen und dem moderaten Teil seiner 11-Parteienkoalition, ein Machtwort zu sprechen.
Um weiterzumachen, hat Prodi seiner Mannschaft einen 12-Punkteplan diktiert, bei dessen Umsetzung er in Zukunft keine Einschränkungen aus den eigenen Reihen dulden möchte. In Prodis Plan sind auch einige von Teilen seiner Koalition abgelehnte Themen enthalten, wie der Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnlinie zwischen Turin und Lyon sowie die Fortsetzung des besagten Afghanistan-Einsatzes der italienischen Streitkräfte.
Heilsamer Schock
Es ist unvorstellbar, dass Prodi seinen 12-Punkteplan mit gleicher Autorität hätte durchsetzen können, wenn er nicht zuvor durch die Schuld zweier linksradikaler Senatoren gestürzt wäre. Diese unvorhergesehene Niederlage bei der Afghanistan-Abstimmung hat innerhalb Italiens Linker eine Art heilsamen Schock bewirkt.
Das Ausmaß des öffentlichen Protestes gegen die abtrünnigen Verbündeten, die das Land wohl "an Berlusconi zurückgeben wollen", dürfte selbst die der Bevölkerung weit entrückte politische Klasse überrascht haben. Einer der beiden "Dissidenten", ein Hinterbänkler namens Rossi, soll auf einer seiner Zugfahrten kürzlich sogar von einem aufgebrachten (ehemaligen) Anhänger tätlich angegriffen worden sein.
Schreckgespenst Berlusconi
Die Wut der linken Basis gegen ihre Parlamentsvertreter ging so weit, dass prominente internationale Altlinke, wie der britische Regisseur Ken Loach und der US-Intellektuelle Noam Chomsky, fürsorglich um Verständnis für die beiden "Pazifisten" geworben haben.
Die meisten von Italiens Mitte-Linkswählern wollen von solchen Pazifisten jedoch nicht mehr viel wissen. Zu oft haben sie erlebt, dass kompromisslose linke Politik nur dem gegnerischen Lager in die Hände spielt. Und solange das gegnerische Lager vom Schreckgespenst der Linken par excellence, Silvio Berlusconi, repräsentiert wird, dürfte sich an dieser Einstellung auch nichts ändern.
So paradox es klingt, dürfte daher ausgerechnet das Verbleiben von Medientycoon Berlusconi in der Rolle des Oppositionsführers dafür sorgen, dass Prodis heterogenes, von Kommunisten bis Christdemokraten reichendes Regierungsbündnis hält.
Keine Lust auf Neuwahlen
Zudem scheint es so, dass nicht einmal Berlusconis eigentliche Verbündete an schnellen Neuwahlen interessiert sind. Die kleineren Oppositionsparteien, die christdemokratische
UDC und die nationalistische
Alleanza nazionale unter dem ehemaligen Außenminister Gianfranco Fini, zeigten bislang keinesfalls Eile bezüglich der Forderung nach einem erneuten Urnengang. Beobachter gehen davon aus, dass sich sowohl Fini als auch der ehrgeizige
UDC-Führer Pierferdinando Casini Hoffnungen machen, den mittlerweile 70jährigen Berlusconi eines Tages als Oppositionsführer zu beerben.
Für einen solchen Führungswechsel innerhalb der italienischen Rechten ist es jedoch noch zu früh, weil Berlusconi bislang keine Anstalten macht, die Zügel aus der Hand geben zu wollen.
Krise des politischen Systems
Nicht alle sind bereit zu warten. Bei Prodis Vertrauensabstimmung im Senat stimmte erstmals Berlusconis ehemaliger Vize-Ministerpräsident Marco Follini für Prodi. Follini hatte sich noch vor den Parlamentswahlen im April vergangenen Jahres mit Berlusconi und dann auch mit der eigenen Partei, der christdemokratischen
UDC, verkracht. Nach einer Übergangszeit als "unabhängiger Senator" hat Follini nun die Regierungskrise genutzt, um sich auf die Regierungsseite zu schlagen und die drohende Rückkehr an die Macht seines Intimfeindes Berlusconi zu verhindern.
Prodi soll es recht sein. Seine immer noch hauchdünne Mehrheit im Senat hat sich um eine Stimme erhöht, das "innere Gleichgewicht" seiner Regierung hat sich ein wenig nach rechts verschoben, und Prodi konnte in seinem nicht immer glücklichen politischen Leben endlich einmal erfolgreich mit der Faust auf den Tisch schlagen.
Andererseits unterstreicht Italiens überwundene Blitzkrise die eigentliche Krise des Landes, nämlich sein unausgegorenes politisches System. Solange dieses System von einem mit deutlichem Wettbewerbsvorteil ausgestatteten Akteur wie Berlusconi bevölkert wird, gibt es keine Hoffnung, dass in Italien eine normale demokratische Dialektik zwischen unterschiedlichen politischen Familien Einzug halten kann. Italiens Blitzkrise ist in Wahrheit eine Dauerkrise.
Carsten Wollenweber (Rom, 1. März 2007)
(Make Europe)